Rennbericht Swissman Xtreme 2017
Vorgeschichte
Wir schreiben den November 2016 und es ist mal wieder an der Zeit, die Wettkampfplanung für 2017 zu starten. In den letzten Jahren sind einige interessante Extrem-Triathlons entstanden, doch nach den Erfahrungen mit dem Evergreen Triathlon 2015 wollte ich weder an einer Erstaustragung teilnehmen, noch im September starten, da dann mein Berg-/Hochtourensommer wegen der Vorbereitungen und des Wettkampfs praktisch gestrichen wird. Und während ich also am suchen bin, stosse ich zufällig wieder auf die Homepage des Swissman Xtreme welchen ich 2014 schon einmal finishen durfte. Ich erinnerte mich an einen schönen Tag, mein Mausfinger machte sich selbstständig und schwupps!, schon hatte ich auf "Anmelden" geklickt. Am 20. November bekam ich die schriftliche Bestätigung meiner Teilnahme und damit war das Ziel für 2017 gesetzt.
In der Vorbereitung hielt ich mich an Wohlbewährtes: Viele lange Grundlagenkilometer auf dem Rad, das einwöchige Trainingslager bei Philipps Bike Team in Mallorca im März und viele Höhenmeter. Das Laufen setzte ich dieses Jahr etwas zurück zugunsten der Radzeit. Schwimmen kann ich bekanntlich, darum holte ich mir die Kraft beim Klettern und habe kurz vor dem Wettkampf zur Angewöhnung noch ein paar Mal im Freibad ein paar Längen geschwommen (9km insgesamt...). Ein Highlight war meine Nonstopfahrt von Muttenz nach Peiting in Oberbayern mit 315km Gesamtdistanz im Mai. Dadurch kamen fast 5000 Radkilometer mit 45'000hm und 500 Laufkilometer mit ca. 7000hm seit 1. Januar 2017 zusammen. Leider wurde ich knapp drei Wochen vor dem Wettkampftermin vom 24. Juni krank und blieb dies mit Höhen und Tiefen bis in die Woche vor dem Wettkampf. Wirklich halbwegs fit fühlte ich mich erst wieder ab dem 20. Juni...
Am Freitag fuhr ich mit meinen bewährten Supportern Melanie und Lothar mit vollgepacktem Auto nach Ascona, wo wir im Hotel zwar freundlich begrüsst wurden, allerdings mit dem Hinweis, wir hätten vom Samstag auf den Sonntag gebucht! Glücklicherweise konnten wir trotz des Ascona Jazz Festivals in einem anderen Hotel zwei Zimmer auftreiben, sonst wäre die Situation heikel geworden. So aber gingen wir am Nachmittag zur Rennbesprechung und danach recht früh ins Bett.
Race Day
Um 02:15 klingelte der Wecker und das Adrenalin des Wettkampftags machte sich zum ersten Mal bemerkbar. Nach einem kurzen Frühstück fuhren wir zum Lido, bereiteten die Wechselzone vor und gingen gemütlich zur Schiffsanlegestelle in Ascona. Pünktlich um 04:15 fuhr das Schiff los, obwohl das im Vorfeld unsicher gewesen sein muss: Allen Schweizer Angestellten der Schiffahrtsgesellschaft wurde nämlich per Ende 2017 gekündigt und sie befanden sich seit 23. Juni im Streik. Für den Swissman haben sie aber eine Ausnahme gemacht. Vielen, vielen Dank dafür!
Auf dem Schiff traf ich meine Bekannte Julia und Felix aus dem Triathlon Szene Forum war auch mit dabei. Der Start wie immer zwischen den beiden Inseln und mit dem Geläute von Kuhglocken und Gänsehaut auf dem Rücken. Irgendwie verpasste ich es, mir ein paar gute Füsse zu suchen und war ziemlich allein auf weiter Flur. Nun gut, dann soll es diesmal wirklich meine Eigenleistung beim Schwimmen sein und ich genoss meine einsame und meditative Linie im angenehm warmen Wasser im beginnenden Tag. Nach ca 1:05h kam ich relaxed aus dem Wasser, wo ich von Tolga (der verrückte Batman-Athlet den ich von der Evergreen Endurance kenne) abgeklatscht wurde und nach einem nicht sonderlich hektischen Wechsel sass ich auf dem Velo und rollte mit angenehmer Windunterstützung in Richtung Bellinzona.
Die diversen kleinen Anstiege drückte ich wohlweislich nicht durch, sondern versuchte pulsorientiert flüssig zu fahren. Nach Biasca der erste Support mit Schmerzen im unteren Rücken, vermutlich durch die ungewohnte Belastung der Aero-Haltung. Das hätte ich vielleicht ein paar Einheiten mehr trainieren dürfen.
Da aber hinter Biasca der Anstieg zum Gotthard beginnt, war das Thema Aero sowieso durch und ich konnte meine Stärken am Berg ausspielen. Immer schön gleichmässig kurbelnd kletterte ich nach Airolo, wo ich mir einen Schluck Cola Zero gönnte und mit frischem Mut nahm ich den Anstieg nach Motto Bartola und weiter auf der alten Kopfsteinstrasse (Strada Tremola) zur Passhöhe. Unterwegs lernte ich Robert aus Schottland kennen, mit dem ich mich während des ganzen Aufstiegs unterhielt. Auf dem Gotthard nur kurzes Nachfüllen der Vorräte und los ging die wilde Abfahrt nach Hospental. Zum Glück hat es unterwegs keine Geschwindigkeitskontrollen
Auf der Strasse nach Realp profitierten wir vom Rückenwind, welcher uns beängstigend schnell das Tal hochschob. In Realp beginnt der härteste Radteil des Swissman Xtreme: Der Furka-Pass ist mit 900 Metern Anstieg bis 2429m Höhe, Steigungen bis über 12% und 13 Kilometern Länge ein echter Kracher und kann einen gnadenlos fertig machen. Zum Glück bin ich am Wochenende vorher (und schon ein paar weiter mal in den letzten Jahren) den Pass gefahren und wusste genau, was mich wann und wo erwartet.
Unterwegs gab es wegen des vielen Verkehrs immer wieder kleine Staus, an welchen ich als Radfahrer aber problemlos vorbeifahren konnte. So kam ich zwar etwas schnaufend aber gut auf der Passhöhe an und stürzte mich in die Abfahrt nach Gletsch. Auch hier war ich wieder froh, dass die Polizei keine Blitzer aufgestellt hatte. Am Grimsel bekam ich dann eine erste kleine Krise, weil der heftige Wind einen teilweise fast zum Stillstand brachte. Da musste ich viel Geduld aufbringen, damit ich mich nicht zu hart forderte, was sonst unweigerlich zu einem späteren Zeitpunkt im Rennen zurückgeschlagen hätte. Auf der Grimsel Passhöhe war Nebel und die eigentlich sehr schöne Abfahrt war im oberen Teil eher eine triste und kühle Angelegenheit. Oberhalb von Guttannen kam ich in einen Stau und beim vorsichtigen Vorfahren zu einem bösen Unfall mit drei Motorradfahrern. Ich durfte gehend den Unfall passieren und rief danach Melanie an. Davon ausgehend, dass die Strasse bald geräumt sein wird, einigten wir uns darauf, dass ich schlimmstenfalls im Brienz ein bisschen warte, bis sie wieder auf mich aufgeschlossen haben wird. Also fuhr ich weiter und unterhalb von Guttannen in einem Tunnel kam ich an einen zweiten, vor wenigen Minuten erst passierten Unfall mit einer Velofahrerin, welche offensichtlich schwerst verletzt oder tot war. Da schon ein paar Personen Erste Hilfe leisten, fuhr ich weiter, doch der Drive war draussen und mir wurde bewusst, dass dies kein normaler Wettkampftag sein würde. Ich rollte gemütlich nach Innertkirchen und weiter an der Aareschlucht vorbei nach Brienz. Ob Melanie und Lothar mich in brauchbarer Zeit einholen würde, war unklar. Es war mir aber irgendwie auch egal, dann ein paar Minuten früher hätte ich an dieser Stelle sein können, wo der Unfall passiert war.
In der Wechelzone in Brienz war ein wildes Durcheinander von Athleten und Helfern, einige konnten unterwegs von ihren Supportern erreicht werden und nahmen ihre Schuhe mit, andere (wie ich) waren zur Untätigkeit verdammt. Etwas später traf auch Felix ein, dessen Laufbegleitung Rally mit dem Zug angereist war, und zufällig ein zweites Paar Schuhe dabei hatte, welche mir zwar drei Nummern zu klein waren, aber egal, der Tag ist eh schon gelaufen, und dann wandere ich halt statt zu rennen. Irgendwie wollte ich dann doch weiter, mochte kein "Unfinished Business" machen. Wir warteten noch auf Julia, der es unterwegs auf dem Rad gar nicht gut gelaufen war, und wanderten gemeinsam los. Unterwegs war viel Zeit, das Gesehene zu bereden und verarbeiten und irgendwann kamen wir auch wieder in einen leichten Laufschritt, nur unterbrochen von diversen Busch- und Wanderpausen an den teils heftigen Steigungen entlang des Brienzer Sees. Ich erfuhr, dass Melanie dem Alex (Mann und Supporter von Julia, mit dem Rad von hinten auf uns aufschliessend) mein zweites Paar Laufschuhe mitgegeben hatte, welches ich dann tatsächlich nach etwa 17 Kilometern erhielt. Wir machten unterwegs noch Witze, dass Alex uns dann eingeholt haben würde, wenn auch Melanie (welche zurück über Grimsel, Furka und Susten-Pass nach Brienz gefahren war) wieder an die Strecke käme. Stimmte nicht ganz, er war ca. 500m früher! In Wilderswil trafen wir uns dann endlich alle wieder, ich zog meine normalen Laufschuhe an, den Trinkrucksack und nahm etwas Verpflegung mit. Felix hatte sich wegen Problemen zurückfallen lassen, doch Julia und ich konnten weiter das Tal hoch in Richtung Grindelwald laufen, immer wieder von Gehpausen an den Steigungen und wegen der Hitze regelmässigen Besuchen an den zahlreichen Brunnen unterbrochen. Ich musste wegen der mangelhaften Ernährung auf den ersten Laufkilometern und dem langen Unterbruch in der Wechselzone büssen, mein Verdauungssystem kündigte sein Versagen an und ich konnte ausser meinen Koffeingummibärchen nichts mehr zu mir nehmen.
Irgendwann trafen wir in Grindelwald ein, wo ich Julia nochmals bat, ihr eigenes Tempo zu gehen, da ich mit ihr nicht mehr mithalten konnte. Vorher lehnte sie dieses Ansinnen immer ab, wofür ich ihr sehr dankbar bin, weil ich nicht allein nach den ganzen Erlebnissen unterwegs sein musste. Aber jetzt war Melanie da, und zusammen liefen wir langsam, aber Schritt für Schritt den steilen Weg hoch zur Brandegg, wo sich das Gelände endlich etwas zurücklehnt. Zwischenzeitlich musste ich mich hinsetzen, da ich nicht mal mehr ein kleines Schlückchen Cola zu mir nehmen konnte und total in den Hungerast gekommen war. Dank des gemächlichen Tempos beruhigte sich zum Glück mein Magen und nach Alpligen konnte ich endlich ein paar Schlucke Cola nehmen, dessen Zucker meine Fettverbrennung wieder ankurbelte und mir die nötige Energie für die verbleibenden Höhenmeter zur Kleinen Scheidegg verschaffte. Unterdessen war es eingedunkelt, doch die Stirnlampen blieben im Rucksack und wir genossen die Wanderung im letzten Dämmerlicht. Irgendwann waren wir oben, wo wir auf Lothar trafen und mit ihm zusammen beim Klang der Kuhglocken die Ziellinie überschreiten durften. Die Bouillon danach brachte mich wieder zur Kräften und bald schon waren wir im Zug nach Grindelwald, wo wir unser Hotel gebucht hatten und ich in einen tiefen und erholsamen Schlaf fiel.
Am nächsten Morgen ass ich das Frühstücksbuffet leer und danach nahmen wir im strömenden Regen die Bahn zur Kleinen Scheidegg, wo die Finisher-Zeremonie stattfinden sollte. Wir zweifelten an der Durchführung wegen des Wetters, aber pünktlich zum Start hörte der Regen auf und wir genossen nochmals das Zusammensein mit den vielen Athleten und Supportern. Julia und Felix waren natürlich auch da und wir feierten den erfolgreichen Abschluss unseres Wettkampfs, den wir ungeplant während vieler Stunden gemeinsam bestritten hatten.
Fazit
Es ist für mich schwer, den Tag zu beurteilen. Einerseits war ich sehr gut auf Kurs und hätte voraussichtlich eine für mich tolle Zielzeit erreichen können. Das war mir wegen der Unfälle und damit verbundenen Schwierigkeiten nicht vergönnt. Andererseits durfte ich tolle Kameradschaft erfahren, sei das unterwegs mit Julia und Felix, aber auch mit meinen Supportern Melanie und Lothar, sowie Rally, Alex und Simone. Das ist mir mehr wert wie die nackten Zahlen einer Ankunfszeit und entspricht dem Verständnis des Swissman Xtreme, dass Zeiten unwichtig, das gemeinsame Erlebnis, das Familiäre und das Abenteuer aber extrem wichtig sind. So gesehen war dieser Tag für mich ein Gewinn und ein Erlebnis, an welches ich noch sehr lange zurückdenken werde.
Melanie hat ihre Eindrücke dieses Tages in einem eigenen Artikel festgehalten.
Wir schreiben den November 2016 und es ist mal wieder an der Zeit, die Wettkampfplanung für 2017 zu starten. In den letzten Jahren sind einige interessante Extrem-Triathlons entstanden, doch nach den Erfahrungen mit dem Evergreen Triathlon 2015 wollte ich weder an einer Erstaustragung teilnehmen, noch im September starten, da dann mein Berg-/Hochtourensommer wegen der Vorbereitungen und des Wettkampfs praktisch gestrichen wird. Und während ich also am suchen bin, stosse ich zufällig wieder auf die Homepage des Swissman Xtreme welchen ich 2014 schon einmal finishen durfte. Ich erinnerte mich an einen schönen Tag, mein Mausfinger machte sich selbstständig und schwupps!, schon hatte ich auf "Anmelden" geklickt. Am 20. November bekam ich die schriftliche Bestätigung meiner Teilnahme und damit war das Ziel für 2017 gesetzt.
In der Vorbereitung hielt ich mich an Wohlbewährtes: Viele lange Grundlagenkilometer auf dem Rad, das einwöchige Trainingslager bei Philipps Bike Team in Mallorca im März und viele Höhenmeter. Das Laufen setzte ich dieses Jahr etwas zurück zugunsten der Radzeit. Schwimmen kann ich bekanntlich, darum holte ich mir die Kraft beim Klettern und habe kurz vor dem Wettkampf zur Angewöhnung noch ein paar Mal im Freibad ein paar Längen geschwommen (9km insgesamt...). Ein Highlight war meine Nonstopfahrt von Muttenz nach Peiting in Oberbayern mit 315km Gesamtdistanz im Mai. Dadurch kamen fast 5000 Radkilometer mit 45'000hm und 500 Laufkilometer mit ca. 7000hm seit 1. Januar 2017 zusammen. Leider wurde ich knapp drei Wochen vor dem Wettkampftermin vom 24. Juni krank und blieb dies mit Höhen und Tiefen bis in die Woche vor dem Wettkampf. Wirklich halbwegs fit fühlte ich mich erst wieder ab dem 20. Juni...
Am Freitag fuhr ich mit meinen bewährten Supportern Melanie und Lothar mit vollgepacktem Auto nach Ascona, wo wir im Hotel zwar freundlich begrüsst wurden, allerdings mit dem Hinweis, wir hätten vom Samstag auf den Sonntag gebucht! Glücklicherweise konnten wir trotz des Ascona Jazz Festivals in einem anderen Hotel zwei Zimmer auftreiben, sonst wäre die Situation heikel geworden. So aber gingen wir am Nachmittag zur Rennbesprechung und danach recht früh ins Bett.
Wir verewigen uns auf dem Swissman Xtreme 2017 Plakat
Race Day
Um 02:15 klingelte der Wecker und das Adrenalin des Wettkampftags machte sich zum ersten Mal bemerkbar. Nach einem kurzen Frühstück fuhren wir zum Lido, bereiteten die Wechselzone vor und gingen gemütlich zur Schiffsanlegestelle in Ascona. Pünktlich um 04:15 fuhr das Schiff los, obwohl das im Vorfeld unsicher gewesen sein muss: Allen Schweizer Angestellten der Schiffahrtsgesellschaft wurde nämlich per Ende 2017 gekündigt und sie befanden sich seit 23. Juni im Streik. Für den Swissman haben sie aber eine Ausnahme gemacht. Vielen, vielen Dank dafür!
Ready for Race!
Auf dem Schiff traf ich meine Bekannte Julia und Felix aus dem Triathlon Szene Forum war auch mit dabei. Der Start wie immer zwischen den beiden Inseln und mit dem Geläute von Kuhglocken und Gänsehaut auf dem Rücken. Irgendwie verpasste ich es, mir ein paar gute Füsse zu suchen und war ziemlich allein auf weiter Flur. Nun gut, dann soll es diesmal wirklich meine Eigenleistung beim Schwimmen sein und ich genoss meine einsame und meditative Linie im angenehm warmen Wasser im beginnenden Tag. Nach ca 1:05h kam ich relaxed aus dem Wasser, wo ich von Tolga (der verrückte Batman-Athlet den ich von der Evergreen Endurance kenne) abgeklatscht wurde und nach einem nicht sonderlich hektischen Wechsel sass ich auf dem Velo und rollte mit angenehmer Windunterstützung in Richtung Bellinzona.
Die diversen kleinen Anstiege drückte ich wohlweislich nicht durch, sondern versuchte pulsorientiert flüssig zu fahren. Nach Biasca der erste Support mit Schmerzen im unteren Rücken, vermutlich durch die ungewohnte Belastung der Aero-Haltung. Das hätte ich vielleicht ein paar Einheiten mehr trainieren dürfen.
Autsch, mein Rücken!
Da aber hinter Biasca der Anstieg zum Gotthard beginnt, war das Thema Aero sowieso durch und ich konnte meine Stärken am Berg ausspielen. Immer schön gleichmässig kurbelnd kletterte ich nach Airolo, wo ich mir einen Schluck Cola Zero gönnte und mit frischem Mut nahm ich den Anstieg nach Motto Bartola und weiter auf der alten Kopfsteinstrasse (Strada Tremola) zur Passhöhe. Unterwegs lernte ich Robert aus Schottland kennen, mit dem ich mich während des ganzen Aufstiegs unterhielt. Auf dem Gotthard nur kurzes Nachfüllen der Vorräte und los ging die wilde Abfahrt nach Hospental. Zum Glück hat es unterwegs keine Geschwindigkeitskontrollen
Die letzten Meter auf der Tremola | Shaka! |
Auf der Strasse nach Realp profitierten wir vom Rückenwind, welcher uns beängstigend schnell das Tal hochschob. In Realp beginnt der härteste Radteil des Swissman Xtreme: Der Furka-Pass ist mit 900 Metern Anstieg bis 2429m Höhe, Steigungen bis über 12% und 13 Kilometern Länge ein echter Kracher und kann einen gnadenlos fertig machen. Zum Glück bin ich am Wochenende vorher (und schon ein paar weiter mal in den letzten Jahren) den Pass gefahren und wusste genau, was mich wann und wo erwartet.
Supporter-Action am Furkapass
Unterwegs gab es wegen des vielen Verkehrs immer wieder kleine Staus, an welchen ich als Radfahrer aber problemlos vorbeifahren konnte. So kam ich zwar etwas schnaufend aber gut auf der Passhöhe an und stürzte mich in die Abfahrt nach Gletsch. Auch hier war ich wieder froh, dass die Polizei keine Blitzer aufgestellt hatte. Am Grimsel bekam ich dann eine erste kleine Krise, weil der heftige Wind einen teilweise fast zum Stillstand brachte. Da musste ich viel Geduld aufbringen, damit ich mich nicht zu hart forderte, was sonst unweigerlich zu einem späteren Zeitpunkt im Rennen zurückgeschlagen hätte. Auf der Grimsel Passhöhe war Nebel und die eigentlich sehr schöne Abfahrt war im oberen Teil eher eine triste und kühle Angelegenheit. Oberhalb von Guttannen kam ich in einen Stau und beim vorsichtigen Vorfahren zu einem bösen Unfall mit drei Motorradfahrern. Ich durfte gehend den Unfall passieren und rief danach Melanie an. Davon ausgehend, dass die Strasse bald geräumt sein wird, einigten wir uns darauf, dass ich schlimmstenfalls im Brienz ein bisschen warte, bis sie wieder auf mich aufgeschlossen haben wird. Also fuhr ich weiter und unterhalb von Guttannen in einem Tunnel kam ich an einen zweiten, vor wenigen Minuten erst passierten Unfall mit einer Velofahrerin, welche offensichtlich schwerst verletzt oder tot war. Da schon ein paar Personen Erste Hilfe leisten, fuhr ich weiter, doch der Drive war draussen und mir wurde bewusst, dass dies kein normaler Wettkampftag sein würde. Ich rollte gemütlich nach Innertkirchen und weiter an der Aareschlucht vorbei nach Brienz. Ob Melanie und Lothar mich in brauchbarer Zeit einholen würde, war unklar. Es war mir aber irgendwie auch egal, dann ein paar Minuten früher hätte ich an dieser Stelle sein können, wo der Unfall passiert war.
In der Wechelzone in Brienz war ein wildes Durcheinander von Athleten und Helfern, einige konnten unterwegs von ihren Supportern erreicht werden und nahmen ihre Schuhe mit, andere (wie ich) waren zur Untätigkeit verdammt. Etwas später traf auch Felix ein, dessen Laufbegleitung Rally mit dem Zug angereist war, und zufällig ein zweites Paar Schuhe dabei hatte, welche mir zwar drei Nummern zu klein waren, aber egal, der Tag ist eh schon gelaufen, und dann wandere ich halt statt zu rennen. Irgendwie wollte ich dann doch weiter, mochte kein "Unfinished Business" machen. Wir warteten noch auf Julia, der es unterwegs auf dem Rad gar nicht gut gelaufen war, und wanderten gemeinsam los. Unterwegs war viel Zeit, das Gesehene zu bereden und verarbeiten und irgendwann kamen wir auch wieder in einen leichten Laufschritt, nur unterbrochen von diversen Busch- und Wanderpausen an den teils heftigen Steigungen entlang des Brienzer Sees. Ich erfuhr, dass Melanie dem Alex (Mann und Supporter von Julia, mit dem Rad von hinten auf uns aufschliessend) mein zweites Paar Laufschuhe mitgegeben hatte, welches ich dann tatsächlich nach etwa 17 Kilometern erhielt. Wir machten unterwegs noch Witze, dass Alex uns dann eingeholt haben würde, wenn auch Melanie (welche zurück über Grimsel, Furka und Susten-Pass nach Brienz gefahren war) wieder an die Strecke käme. Stimmte nicht ganz, er war ca. 500m früher! In Wilderswil trafen wir uns dann endlich alle wieder, ich zog meine normalen Laufschuhe an, den Trinkrucksack und nahm etwas Verpflegung mit. Felix hatte sich wegen Problemen zurückfallen lassen, doch Julia und ich konnten weiter das Tal hoch in Richtung Grindelwald laufen, immer wieder von Gehpausen an den Steigungen und wegen der Hitze regelmässigen Besuchen an den zahlreichen Brunnen unterbrochen. Ich musste wegen der mangelhaften Ernährung auf den ersten Laufkilometern und dem langen Unterbruch in der Wechselzone büssen, mein Verdauungssystem kündigte sein Versagen an und ich konnte ausser meinen Koffeingummibärchen nichts mehr zu mir nehmen.
Kurze Verpflegung unterwegs | Mit Julia und Alex unterwegs |
Melanie bereitet sich für den finalen Anstieg zur Kleinen Scheidegg vor | In Grindelwald |
Irgendwann trafen wir in Grindelwald ein, wo ich Julia nochmals bat, ihr eigenes Tempo zu gehen, da ich mit ihr nicht mehr mithalten konnte. Vorher lehnte sie dieses Ansinnen immer ab, wofür ich ihr sehr dankbar bin, weil ich nicht allein nach den ganzen Erlebnissen unterwegs sein musste. Aber jetzt war Melanie da, und zusammen liefen wir langsam, aber Schritt für Schritt den steilen Weg hoch zur Brandegg, wo sich das Gelände endlich etwas zurücklehnt. Zwischenzeitlich musste ich mich hinsetzen, da ich nicht mal mehr ein kleines Schlückchen Cola zu mir nehmen konnte und total in den Hungerast gekommen war. Dank des gemächlichen Tempos beruhigte sich zum Glück mein Magen und nach Alpligen konnte ich endlich ein paar Schlucke Cola nehmen, dessen Zucker meine Fettverbrennung wieder ankurbelte und mir die nötige Energie für die verbleibenden Höhenmeter zur Kleinen Scheidegg verschaffte. Unterdessen war es eingedunkelt, doch die Stirnlampen blieben im Rucksack und wir genossen die Wanderung im letzten Dämmerlicht. Irgendwann waren wir oben, wo wir auf Lothar trafen und mit ihm zusammen beim Klang der Kuhglocken die Ziellinie überschreiten durften. Die Bouillon danach brachte mich wieder zur Kräften und bald schon waren wir im Zug nach Grindelwald, wo wir unser Hotel gebucht hatten und ich in einen tiefen und erholsamen Schlaf fiel.
Erfolgreicher Finish mit meinen Supportern Melanie und Lothar
Müde aber happy im Zug nach Grindelwald
Am nächsten Morgen ass ich das Frühstücksbuffet leer und danach nahmen wir im strömenden Regen die Bahn zur Kleinen Scheidegg, wo die Finisher-Zeremonie stattfinden sollte. Wir zweifelten an der Durchführung wegen des Wetters, aber pünktlich zum Start hörte der Regen auf und wir genossen nochmals das Zusammensein mit den vielen Athleten und Supportern. Julia und Felix waren natürlich auch da und wir feierten den erfolgreichen Abschluss unseres Wettkampfs, den wir ungeplant während vieler Stunden gemeinsam bestritten hatten.
Finisher-Zeremonie
Fazit
Es ist für mich schwer, den Tag zu beurteilen. Einerseits war ich sehr gut auf Kurs und hätte voraussichtlich eine für mich tolle Zielzeit erreichen können. Das war mir wegen der Unfälle und damit verbundenen Schwierigkeiten nicht vergönnt. Andererseits durfte ich tolle Kameradschaft erfahren, sei das unterwegs mit Julia und Felix, aber auch mit meinen Supportern Melanie und Lothar, sowie Rally, Alex und Simone. Das ist mir mehr wert wie die nackten Zahlen einer Ankunfszeit und entspricht dem Verständnis des Swissman Xtreme, dass Zeiten unwichtig, das gemeinsame Erlebnis, das Familiäre und das Abenteuer aber extrem wichtig sind. So gesehen war dieser Tag für mich ein Gewinn und ein Erlebnis, an welches ich noch sehr lange zurückdenken werde.
Melanie hat ihre Eindrücke dieses Tages in einem eigenen Artikel festgehalten.
Felix, Julia und ich
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