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Rennbericht Evergreen Endurance 228 / Chamonix 2015

Wieviel ist viel und wieviel ist zuviel? Was ist welches Risiko wert einzugehen für dieses gute Gefühl im Kopf, etwas zu Ende gebracht zu haben? Dieser Frage musste ich an der Evergreen Endurance in Chamonix letztes Wochenende während mehrerer Stunden nachgehen. Zu welcher Antwort ich kam? Weiter unten... zuerst beginnen wir, wie üblich, mit dem...

Anfang
Die Evergreen Endurance ist ein neues Extrem-Format welches von einer Gruppe Triathlon- und Trailrunning-Begeisterter aus Chamonix im Jahr 2015 zum ersten Mal durchgeführt wurde und mit dem Ziel antritt, möglichst karbonneutral und umweltfreundlich durchgeführt zu werden. Angekündigt waren 4km Schwimmen in einem Bergsee, 180+km Rennvelo und 43km Berglauf mit gesamt 7500hm Aufstieg. Ich betreibe bekanntlich gerne Sport in den Bergen und auch mein Training ist ziemlich aufstiegsorientiert - MTB fahre ich lieber hoch wie runter... - und so reifte in mir der Wunsch, bei dieser Erstausgabe dabei zu sein. Sozusagen als Pionier in die Geschichtsbücher des Triathlon eingehen.

Am Freitag Morgen trafen Melanie und ich mit unserem VW Bus in Chamonix ein und bezogen einen Stellplatz auf dem "Camping "Les Arolles", dort trafen wir kurz danach Thomas aus der Nähe von Genf, welcher auch am 228 teilnehmen wollte. Der 228 ist das Langdistanzformat der Evergreen Endurance, zusätzlich wird noch ein 118, d.h. eine MD, angeboten. Am Nachmittag besuchten wir die etwas chaotische Teilnehmerbesprechung im Hotel Héliopic mit Erklärungen zur Strecke und Verpflegung. Dort wurde auch verkündet, dass der Start statt um 06:00 um 06:30 stattfindet. Der Bus, welcher die Athleten von Chamonix zum Start transportieren sollte, war aber weiterhin für 03:30 geplant statt logischerweise 04:00? Egal, das sind halt kleine Abstimmungsprobleme bei einer Erstausgabe. Danach gab ich mein Velo für den Transport zum Lac du Montriond und meine zwei Special Needs Bags (Col du Colombiére und T2) ab. Am Abend gab es die traditionelle Pasta-Party im UCPA Chamonix mit guter Stimmung und schlechter Pasta. Egal, wer am Vorabend eines Rennens noch Carbo-Loading betreiben will, der kommt sowieso zu spät!

Swim
Um 03:30 bestiegen wir denn auch tatsächlich den Bus und ich konnte nochmals während der Fahrt für fast eine Stunde vor mich hin dösen. Am Lac du Montriond angekommen fand ich hektische Betriebsamkeit und keine Bojen auf dem See. Irgendwann die Information, der Start sei auf 07:00 verschoben. Das war auch sinnvoll, denn um 06:30 war es noch stockdunkel und die Bojen waren nicht beleuchtet. Erstausgabe halt... Um sieben Uhr ging es dann auch tatsächlich zum Geläute von Kuhglocken los und ich konnte mich schon bald in einer guten Schwimmgruppe einreihen. Der See war vermutlich zwischen 16 und 17° kalt und glasklar und das Schwimmen trotz anfänglichem Frösteln eine wahre Freude - wie meistens für mich. Die Strecke muss zweimal durchschwommen werden mit sogenanntem "Australian Exit", d.h. man geht kurz an Land, rennt um eine Boje und geht wieder zurück ins Wasser. Auch auf der zweiten Runde war ich in einer angenehm gleichmässig schwimmenden Gruppe und so ging die Zeit recht schnell vorbei. Wo genau im Feld ich mich befand war mir nicht bewusst, später wurde mir gesagt dass ich in der Spitzengruppe war, wobei vorneweg noch 1-2 einzelne Athleten unterwegs waren. Nach ca. 1h09 war ich auf neunter Position aus dem Wasser und kleidete mich in Ruhe im Wechselzelt um. Ich hatte bewusst den Wechsel der kompletten Bekleidung geplant, da ich mir auf solch einer LD keinen Stress antun wollte und ein Tri-Suit gegenüber Rad- bzw Laufbekleidung immer im Nachteil ist.

Bike
So stieg ich aufs Velo und schon nach wenigen Kilometern begann der Anstieg zum Col Joux Verte, welcher sich anfangs in einigen schönen Serpentinen und später dem Landschaftsverlauf folgend den Berg hochwand. Die erste Abfahrt war eher verhalten; ich hatte neue Pneu montiert (Conti GP4000s II) und jene nicht vernünftig eingefahren. Mein Vertrauen in den Grip war daher nicht sehr ausgeprägt. Kaum unten im Tal ging es auch schon wieder zum Col de l'Encrenaz hoch, welcher "fieserweise" in der Abfahrt mit Rollsplit versehen war und für die eine oder andere herzschlagerhöhende Situation sorgte. Ich dachte, dass es eigentlich noch weiter runter gehen müsste, aber sozusagen mittendrin ging es schon wieder richtig steil (10-12%) hoch zum Col de la Ramaz. Bei der dortigen Abfahrt konnte ich die Beine etwas erholen und die Strecke ging auch mal ein Stück geradeaus, bis nach rechts die Abzweigung zum Col de la Colombière kam. Dummerweise nicht markiert. Erstausgabe und so... Glücklicherweise bemerkte ich den Fehler und konnte zurückfahren. Der Colombière ist elend lang aber landschaftlich sehr schön. Auf einer Zwischenebene bei einem Dorf verfolgte mich ein Rennradfahrer mit umgehängter GoPro Kamera und interviewte mich. Keine Ahnung für welches Magazin er arbeitet. Meine Antwort auf seine Frage, wieso ich an diesem Rennen teilnehme, hat er glaube ich nicht ganz verstanden: "Because it's FUN". Jener Spass nahm aber auf den letzten Metern vor der Passhöhe drastisch ab und ich war ganz froh, als ich oben meinen Special Needs Bag mit meinen Winforce Gels und Isostar Pulver in Emfang nehmen wollte. Wollte! Er war nämlich, wie auch diverse andere, nicht da. "Je m'éxcuse". Erstausgabe... Hilft mir aber auch nicht weiter, wenn ich auf meine eigene Ernährung angewiesen bin. Ab da gab es halt die entweder übersäuerten (Forrest fruits) oder aber kaumuskelzerstörenden (Cocos) Mule-Bars. Die sind mit natürlich abbaubarer Verpackung versehen und schön grün und öko. Mein Magen dankt es! Nach dem Colombière kam noch der Col des Aravis mit ordentlich Gegenwind und damit wären dann auch alle Pässe geschafft, nicht aber die Anstiege. Im Race Manual steht: "Moving across onto the south facing slopes of the L’Arve Valley and approaching the last on-course aid station the beast that is the Evergreen 228 bike has a sting in the tail. Short and sharp but on tired legs the switchbacks up to Vaudagne are going to hurt." Und genauso war es auch; dieser Anstieg bis zum Hochtal von Chamonix ist so richtig fies und der Strassenbelag tut das seine, um die letzten Kilometer ordentlich zu versüssen. Aber meine Beine fühlten sich gut an und ich konnte immer sauber kurbeln. Irgendwann realisierte ich, dass ich auf Platz 8 vorgefahren war und die Radstrecke unter 9h absolvieren konnte. Das gab nochmals einen schönen Motivationsschub und so erreichte ich gut gelaunt die Wechselzone in Chamonix bei der Talstation der "Aiguille du Midi" Seilbahn.

Run
Dort zog ich meine Laufklamotten an, schnallte mir meinen Laufrucksack um und trabte los in Richtung Innenstadt von Chamonix. Die Route führt direkt durch die Einkaufszone, was bei den Passanten mehrheitlich für Verwunderung und weniger für Begeisterung sorgte. Der Anlass war wohl den kaum einem der Anwesenden bekannt. Zum Glück ist der Hindernislauf aber schon bald vorbei und es geht auf einer Skipiste und danach im Wald steil hoch zur Buvette de Caillet. Dort gab es gute Laune aber kein Klo (ausser dem grossen, grünen mit Frischluft). Zwischenzeitlich begann es zu nieseln und so montierte ich meine Regenjacke und stieg weiter nach Montenvers / Mer du glace, welches an der Endstation der Zahnradbahn liegt. Da es unterdessen richtig regnete, hätte ich gerne - wie von den Organisatoren versprochen - eine warme Bouillon getrunken. Die gab es aber nicht. Eigentlich gab es ausser Wasser, Iso und dem einheimischen, leider etwas zu sauren und wenig zuckerhaltigen, YauteCola nur noch ein paar MuleBars und Salznüsse. Erstausgabe halt... Montenvers ist auch der Beginn der Zeitstrecke nach Signal Forbes, doch mir war unterdessen nicht mehr nach Temporekorden bei Bergläufen. Der Magen verweigerte die Aufnahme von Flüssigkeit wie Nahrung und ich musste auf die Reserven zurückgreifen. Jetzt folgte die Passage nach Refuge du Plan de l'Aiguille, auf welche ich mich eigentlich gefreut hatte. Dummerweise war es unterdessen dunkel, und im Scheine meiner Stirnlampe waren die rutschigen Steinplatten, aus welcher der Weg grossteils besteht, sehr unangenehm zu begehen. An Rennen war nicht zu denken. Es geht auch immer wieder etwas hoch und runter, sodass kein rechter Rhythmus aufkommen mochte. Beim Refuge wurde auch meine letzte Hoffnung auf ein heisses, salziges Getränk zerschlagen und jener kleine Gedanke, welcher seit Signal Forbes in meinem Hirn sass, blähte sich immer mehr auf: "Da gehst Du kein zweites Mal hoch!" Als es wieder runter ins Tal ging, hatte sich mein Magen etwas beruhigt und ich konnte meine Trail-Fähigkeiten auspielen. Zum grossen Erstaunen jener, welche mich teilweise schon vor langer Zeit überholt hatten, konnte ich abwärts rennend wieder an ihnen vorbeiziehen. Unten angekommen aber musste ich den Verstand der Emotion vorziehen und erkennen, dass eine zweite Runde nicht mehr drin liegt. Ohne vernünftige Möglichkeit der Ernährung unterwegs, auf hochalpinem, teilweise ausgesetztem Pfad und rutschigen Platten, bei Dunkelheit, strömendem Regen und Nebel in der Kälte nochmals 22km und über 1300 Höhenmeter hoch wie runter war mir einfach viel zu viel Risiko. Zu gewinnen gab es ein schwarzes T-Shirt, zu verlieren mindestens die Gesundheit. Da wird die Entscheidung für die Aufgabe recht einfach und kurz nach 23 Uhr gab es den DNF für mich.

Was spricht für den Evergreen Endurance 228?
- Tolle Strecken in atemberaubend schöner Landschaft
- Sehr gute Kameradschaft unter den Athleten
- Derzeit eines der extremsten Triathlonformate

Und was dagegen?
- Derzeit eines der extremsten Triathlonformate
- Angebotene Verpflegung auf der Radstrecke mittelprächtig
- Angebotene Verpflegung auf der Laufstrecke schlicht ungenügend. Wasser, Cola, Iso, Nüsse und Riegel reichen definitiv nicht auf einer Ultra-Trailstrecke, wo der Athlet schon 10+ Stunden in den Beinen und nochmals 6-10 Stunden vor sich hat. Da muss man sich ein Vorbild an anderen Veranstaltungen nehmen und auch Bouillon, Brot, etc pp anbieten, oder aber es dem Teilnehmer erlauben, seine Verpflegung auf Rad- wie Laufstrecke komplett selber zu organisieren (Supporterkonzept)
- Laufstrecke sehr hart und bei schlechtem Wetter grenzwertig. Ausserdem sind zwei Runden zu absolvieren, was die Sache nicht einfacher macht

Dinge, welche nicht mit "Erstausgabe" entschuldbar sind
- Es ist durchaus bekannt, um welche Uhrzeit morgens die Sonne aufgeht
- Man kann nicht Einzeldisziplinzeiten im Schwimmen, Radfahren und Laufen zusammenrechnen und das als prognostizierte Gesamtzeit ausgeben. Der Sieger war fast 4h später als geplant im Ziel
- Keine Versprechungen zur Verpflegung machen, welche nicht eingehalten werden. Man muss sich auf Aussagen verlassen können
- Weniger Zeit auf "Green" aufwenden, zuerst die Basics sauber hinkriegen

Würde ich den Evergreen Endurance 228 nochmals versuchen?
- Schwierig zu sagen, da müssten ein paar Dinge (siehe oben) angepasst werden. Vielleicht wäre auch eine andere Laufstrecke, welche die zweite Runde in etwas harmloseres Gelände verlegt, anzudenken. Die objektiven Gefahren waren auf der zweiten Runde bei den am Samstag herrschenden Bedingungen einfach zu gross

Zeiten
- Gibt's hier

Impressionen vom Wettkampf

Wettkampfbesprechung am Vorabend
Wettkampfbesprechung am Vorabend


Stolzer Startnummernträger
Stolzer Startnummernträger


Wie üblich eine Materialschlacht
Wie üblich eine Materialschlacht


T1 vor dem Start
T1 vor dem Start


Immer zu einem Spässchen aufgelegt
Immer zu einem Spässchen aufgelegt


Der Start!
Der Start!


Australian Exit
Australian Exit


Typische Beschilderung
Typische Beschilderung


Schöne Momente an der Radstrecke
Schöne Momente an der Radstrecke


Am Col de la Colombière
Am Col de la Colombière


T2: Bereitmachen für die Laufstrecke
T2: Bereitmachen für die Laufstrecke


Update 2015-09-18
- Rennbericht von Tom

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